„Steck mal in meiner Haut!“
Unsere Auswahl von Büchern gegen Rassismus und für mehr Toleranz und Vielfalt in unserer Gesellschaft
Alle da! – Unser kunterbuntes Leben

Kunterbunt und fröhlich ist schon das Cover mit den verschiedensten Menschen, die hier zusammen feiern. Am Beginn des Buches stehen die „Ersten Menschen“ und die stammen aus Afrika. Unter ihnen sind viele andere Gesichter zu sehen, die alle unterschiedlich aussehen.
Anhand kleiner Bilder sehen wir, was Menschen alles tun. „Immer wieder gehen Menschen woanders hin“ zeigt viele mögliche Grunde an. Am Beispiel von Samira aus Syrien sehen wir warum und wie sie ihre Heimat verlassen hat.
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Aber es gibt auch andere Beispiele, so gingen Natalias Vorfahren nach Russland, ihre Eltern kamen zurück nach Deutschland, wo sie geboren wurde. Eine große Palästinenser-Familie wohnt verstreut auf der ganzen Welt. Kinder in einem Stuhlkreis sagen in ihrer Sprache „Guten Morgen“, das ist nur ein kleiner Ausschnitt, denn es gibt 6.500 verschiedene Sprachen. Einige Kinder sprechen schon mehre Sprachen, aber oft können Erwachsene, die aus dem Ausland kommen noch nicht richtig deutsch. Einige Gründe werden hier genannt.
Aber Kinder können oft auch ohne gemeinsame Sprache miteinander spielen, auch die unterschiedlichen Feste kann man miteinander feiern. Von Vorurteilen und wie sie entstehen können, lesen wir auf der nächsten Seite. Manchmal entstehen dadurch Ängste, „Am besten verschwindet die Angst, wenn man sich kennenlernt…“ So zeigt die letzte Doppelseite einen sommerlichen Platz mit vielen verschiedenen Menschen.
Zum Schluss kann man einen Fragebogen ausfüllen und sich der eigenen Identität bewusst werden.
Vielleicht sollten sich einige Erwachsene dieses einmal anschauen, sie können viel davon lernen. Dank der comicartigen Bilder macht das Lesen besonders viel Spaß.
Dagmar Mägdefrau
Mein Schatten ist pink

Der Junge(?) auf dem Cover hat einen pinken Schatten, der wie eine Tänzerin im Tütü aussieht. So erfahren wir, dass Schatten von Männern immer blau sind, doch der Junge weiß, seiner ist anders. Er berichtet weiter von seinem Schatten, der Ponys und Prinzessinnen mag. Das Bild zeigt ihn wütend darüber nachdenkend mit einem fröhlichen pinken Schatten im Hintergrund. Wenn er wirbelnd durchs Haus tanzt, kommt sein Vater mit seinem großen blauen Schatten und sagt „Das geht vorüber“.
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Als auf der Schuleinladung „Lieblings-Outfit!“ steht, zieht er sein hübsches gelbes Kleid an. Erstaunlicherweise haben alle anderen Kinder, auch das Mädchen im Vordergrund, blaue Schatten. Da die Kinder ihn wortlos anstarren, rennt der Junge nach Hause. Als Papa ins Zimmer kommt, trägt er ein pinkes Kleid. Aus dem Ausschnitt kommen die Brusthaare und er trägt einen Schnurrbart und sein Schatten ist blau. Einfühlsam geht er auf seinen Sohn ein und berichtet von anderen aus der Familie.
Allerdings find ich, dass hier immer die Schatten zum dargestellten Geschlecht passen. Ich hätte der kleinen Tänzerin, die Physik liebt, eher einen blauen Schatten gemalt. Als Vater und Sohn zurück in die Schule gehen, tritt der Junge selbstbewusst in den Raum „Jeder ist, wie er ist.“ Und findet schnell einen Freund.
Ich habe in meiner Beschreibung immer von einem Jungen gesprochen, weil die Abbildung einen Jungen darstellt. Sicher kann man das auch anders sehen. Ich finde, das Buch zeigt in schönen Bildern und verständlichen Worten, dass wir nicht immer so fühlen, wie wir nach außen wirken. Ein mutiges Buch zu einem aktuellen Thema.
Dagmar Mägdefrau
Der Katze ist es ganz egal

Leo, den seine Eltern als Junge kleiden, fühlt sich nicht wohl als Junge, er möchte lieber eine Jennifer sein, denn so fühlt er sich. Als er das seiner Familie erklärt, nimmt sie ihn nicht ganz ernst, anders als seine Freunde. Anne und der dicke Gabriel können ihn/sie verstehen und sie unterstützen ihn/sie. Selbst seine Lehrerin geht lieb auf ihn ein, möchte aber die Eltern sprechen.
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Die schwangere Mutter unterstützt Jennifer ebenfalls, nur der Vater hält die Entscheidung seines Kindes für eine Marotte, so streiten die beiden und Jennifer geht ohne Abschied los. Anne und Gabriel wollen mit Jennifer nach H&M, um das gewünschte Kleid zu kaufen, doch dann geht Jennifer vor der Schule in das Mädchenklo und trifft dort auf Stella. Sie hat einen rasierten Kopf und ist ein Schlüsselkind. Die beiden ziehen sich bei Stella um und so kommt Jennifer unerwartet an ein Kleid. Zusammen gehen sie los und erleben einiges.
Das Buch geht sehr anschaulich und behutsam mit dem Thema „Mädchen mit Penis“ um, man spürt die Liebe aller Beteiligten und besonders gut gefällt mir der Vater, dem das Kind wichtiger ist als sein Geschlecht. Am Ende muss der sture Papa sich entscheiden.
Der Titel ist für mich etwas verwirrend, denn die Katze kommt nur ganz kurz in dem Buch vor. Ungewöhnlich ist die Lösung wie mit den österreichischen Begriffen umgegangen wird, im Text weist ein Pfeil auf das in Deutschland gebräuchliche Wort hin. „Naschlade = Schublade voll Süßkram“.
Ein Buch, dass Mut macht, zu sagen, wenn sich etwas nicht so anfühlt, wie es nach außen scheint. Ich hoffe, es wird noch viele Leos geben, die sich trauen zu sagen, dass sie lieber eine Jennifer wären.
Was mich allerdings sehr wütend gemacht hat, ist, dass der Freund immer nur der dicke Gabriel hieß, auch Jennifer nennt ihn so „Du bist die beste Freundin, die man haben kann, und der dicke Gabriel auch.“ Ich kann Ihnen versichern, dass sowas einer dicken Frau weh tut.
Dagmar Mägdefrau
Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

Mimi wird in der DDR groß, in einer Kleinstadt in Brandenburg. Sie erzählt uns von ihrer Schule und ihrem Freund Oliver, mit dem sie am Nachmittag angeln geht. Mimis Mutter ist Lehrerin und eine überzeugte Kommunistin. Mimis Vater ist eigentlich Verkäufer, aber aufgrund seiner Krankheit meist zu Hause. Mimis Oma stellt Mimi ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung, als der kleine Bruder geboren wird. Mimi beschreibt keine Idylle, es wird viel getrunken, so kommt es auch, dass sie mit Oliver, der sich später Hitler nennt, die Schnapskirschen isst.
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Erstaunt war ich über die Brutalität, die hier schon an der Tagesordnung war. Da wurden in bestimmten Straßen Kinder wie Mimi mit Flaschen beworfen.
Erst auf Seite 80 tritt Honecker endlich zurück und die Situation in der Stadt wird dadurch nicht entspannter. Umgehend bilden sich Nazigruppen, die Zecken, die Mimi jagen. Erstaunlich, wie schnell diese Glatzen das Bild der Stadt prägen. Allen voran Oliver, jetzt Hitler.
In dem Buch wird viel geraucht und gesoffen, später kommen auch andere Drogen dazu. Hitler ist da ganz groß im Geschäft. Mimi distanziert sich zunächst auch äußerlich, färbt sich die Haare und entwickelt einen anderen Musikgeschmack. Später versucht sie, sich zu verstecken, gleicht sich äußerlich an und zieht nach Berlin, sie hat Angst ihren kranken Vater zu besuchen, weil es in ihrem Freundeskreis immer wieder zu Überfällen der Nazis kommt.
Das Buch macht Angst, natürlich hat man zunächst Angst um Mimi und ihre Freunde, aber die ganze Situation beängstigt mich. Wie können junge Leute in den 1990er Jahren einfach solche Gewalt ausüben und sich als Nazis bezeichnen?
Angesichts der Vorfälle in Chemnitz oder Halle befürchte ich nach dieser Lektüre, dass es viel mehr Nazis gibt, als ich für möglich gehalten habe. Besonders die Gewaltbereitschaft dieser jungen Menschen entsetzt mich. Mimi musste um ihr Leben fürchten und ich fürchte mich mit ihr um unser Land. Ein wichtiges Buch, wenn mir das Lesen auch an manchen Stellen die Luft nahm und ich die Angst spüren konnte.
Dagmar Mägdefrau
Bus 57

Schon auf dem Buchrücken kann man lesen, dass Sasha, ein agender Weißer, der gerne Röcke trägt, und Richard, ein Afroamerikaner, der schon mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, in der Buslinie 57 aufeinandertreffen. Animiert durch seine Freunde hält Richard ein Feuerzeug an den Rock des schlafenden Sasha. Der Fall ging 2015 durch die Presse und Dashka Slater nahm diesen Artikel zum Anlass, diesen Fall zu recherchieren.
Sasha, der als Luke geboren wurde, identifiziert sich als nicht einem gestimmten Geschlecht zugehörig, also als Agender oder Neutrois. (Mein Word gibt beide Worte als Fehler an!) In dem Kapitel „Gender, Geschlecht, Sexualität, Romantik: ein paar Begriffe“ lese ich einige, mir bisher nicht bekannte Begriffe bzw. Begriffe, ich bislang nicht einordnen konnte.
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„Genderqueer/Nichtbinär – Geschlechtsidentität passt nicht richtig in das Zweiersystem männlich/weiblich.“ Oder „Greysexuell – empfindet nur gelegentlich sexuelle Anziehung, meist aber nicht.“ Sasha hat sehr aufgeschlossenen Eltern und besucht eine Privatschule, in der die Mitschüler ihn voll akzeptieren. Auch als er sich entscheidet, Röcke zu tragen, nimmt keiner daran Anstoß. Aufgrund des Alperger-Syndroms wird Sasha als sehr schüchtern beschrieben, er hat aber einen Freundeskreis und alle zusammen spielen ein sehr kreatives Spiel, bei dem 1001 leere Karten mit Spielanweisungen gefüllt werden müssen.
Richard lebt im armen Teil von Oakland, geht auf eine öffentliche Schule und war aufgrund einer Straftat schon in einer betreuten Wohngruppe untergebracht. Seine Mutter und auch eine pädagogische Kraft, die selbst eine bewegte Vergangenheit hat, und zur Ersatzmutter für viele Schüler wird, bemühen sich um den Jugendlichen. Er ist fröhlich, albert herum und macht gerne Streiche, ist sehr einfühlsam und kann gut auf andere eingehen. Dann gibt es diesen Moment, wo Richard einfach die Auswirkungen seiner Tat nicht bedenkt. Er zündet den duftigen Rock an und Sashas Leben besteht lange Zeit aus Schmerzen. Da es Videoaufnahmen der Tat gibt, wird Richard schnell verhaftet. Der zweite Teil des Buches befasst sich mit der Justiz der USA bzw. des Staates Kalifornien. Richard wird zunächst nach Erwachsenenrecht angeklagt, obwohl er erst sechzehn ist. Dieser Teil ist kompliziert zu lesen und macht mich als Leser wütend, weil es so ungerecht ist, wie mit Richard verfahren wird.
Gerade in der Situation, wo wir wieder erleben, wie rassistisch unserer Gesellschaft ist, zeigt sich in diesem Buch, dass Menschen, die nicht der binären Norm entsprechen, noch häufiger unter der Intoleranz der „Normalen“ zu leiden haben. Das Buch benutzt immer das Gender* und für mich unbekannte Pronomen, wie sier und sieren statt sie/er oder ihrer/seiner. Unter „Nichtbinär-Wiki“ habe ich aber auch andere Möglichkeiten gefunden. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis sich unsere Sprache verändert.
Ein interessantes Buch zu einem Thema, das in unserer Zeit immer mehr an die Öffentlichkeit dringt und über das ich bisher wenig Informationen habe.
Dagmar Mägdefrau
Du nicht!

Die drei Pinguine spielen zusammen, als Kautschuk, eine Robbe, auftaucht. Die vier Freunde spielen begeistert miteinander, zumal der Neue immer wieder tolle Ideen hat, was man machen kann. Zudem ist er immer gut gelaunt und hatte eine besondere Art zu lachen.
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Obwohl sie immer zusammen spielen, spricht Kautschuk nicht und als er eine Nase für einen Schneepinguin bringen soll, stellen die drei Pinguine fest, dass er sie nicht versteht. Ja, sie stellen fest, dass Kautschuk anders ist als sie. Sie machen sich lustig über ihn und er verschwindet. Weil er ihnen fehlt, machten sie sich auf den Weg, um ihn zu suchen. Am Ende spielen die Vier wieder zusammen.
Die Texte sind kurz, die Bilder einfach gestaltet, die Aussage ist leicht zu erkennen.
Dagmar Mägdefrau
Sorum und Anders

„Sorum ist groß, Anders ist klein. Sie ist aus Watte, er ist aus Stein.“ so beginnt das Bilderbuch von Sorum und Anders. Zwei, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten.
Selbst beim Schlafen gibt es keine Angleichung „Anders ist müde, Sorum ist wach. Er schläft im Stehen, sie lieber flach.“ Aber trotzdem sind sie ständig zusammen und haben ihren Spaß.
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„Sorum sein ist voll okay. Anders sein, tut auch nicht weh.“ steht auf der letzten Seite und das ist eine Quintessenz, der ich voll zustimmen kann.
Das Buch hat dicke Pappseiten und die Bilder sind klar und sehr einfach gezeichnet. Alles wirkt bunt und fröhlich, mit viel Dynamik.
Ein wunderschönes Buch über die „Anderen“, ganz liebevoll gemacht. Da bin ich richtig begeistert und möchte das Buch für alle Kinder empfehlen. Denn natürlich ist es ein Buch über Inklusion, aber es will uns nicht belehren.
Dagmar Mägdefrau
Der schaurige Schusch

Auf dem Doggelspitz wohnen bisher nur das scheue Huhn, der bockige Hirsch, die garstige Gans, das maulige Murmeltier und der Party-Hase. Als sie hören, dass der Schusch auch dort hinziehen wird, machen sich die Tiere die tollsten Gedanken, wie gefährlich und furchtbar dieses, bisher unbekannte Tier wohl sein wird.
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Dann lädt der Schusch zu seiner Einweihungsparty ein und nur der Party-Hase traut sich dort hin. Die Freunde warten stundenlang, bis der Party-Hase die Türe öffnet. Und da sehen sie den Schusch zum ersten Mal. Er ist klein und niedlich, nicht groß und zottelig, stinkt nicht nach nassem Hund, klaut keine Eier und isst auch keinen Hasenbraten. Das einzige Vorurteil, das sich bestätigt, ist: Er küsst wie ein Wilder.
Da treiben sich einfach verrückte Gestalten rum in diesem Buch, trotzdem zeigt es auch, wie Vorurteile sich entwickeln und sich oft, durch das Kennenlernen des Fremden, in Luft auflösen.
Dagmar Mägdefrau