Verein zur Förderung der Kinder- und Jugendliteratur e.V.

Märchenland für alle

Märchenland für alle

Herausgeber Boldizsár M. Nagy
Illustration von Lilla Bölecz
DK
Verlagsempfehlung ab 6 Jahre
Ein Märchenland für alle, auch wenn Viktor Orbán es am liebsten niemanden lesen lassen würde. Denn im Entstehungsland Ungarn ist das Buch sogar verboten worden. Zu offen, zu vielfältig, zu wenig “traditionell”, was auch immer das für Traditionen sind, an denen festgehalten wird. Denn die Tradition des Märchens wird beibehalten, nur darf wirklich jede und jeder mitmischen, ungeachtet der sexuellen Orientierung, des Geschlechts, der Hautfarbe oder anderer Hintergründe. Die Prinzessin möchte lieber ein Prinz sein? Gerade in einer magischen  Märchenwelt sollte das ein Leichtes sein!
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Viele kreative Ideen wurden mit alt bekannten Märchenmerkmalen verknüpft und Raum für neue, vielfältige Vorbildfunktionen geschaffen. Es ist kaum zu glauben, dass diese Märchensammlung mit dieser wunderschönen Botschaft in Ungarn öffentlich geschreddert und durch Hetze bestraft wurde. Umso schöner, dass es trotzdem ein Bestseller wurde und mittlerweile auf deutsch verfügbar ist. Ein Buch, das nicht nur durch seinen Inhalt, sondern auch durch seine Wirkung und seine Hintergründe beeindruckt.

Raphaela Brossero

Die Entstehungsgeschichte dieses ungewöhnlichen Märchenbuches ist eine ganz besondere. Junge ungarische Autor*innen haben ein Märchenbuch geschrieben in dem die Geschlechterrollen zum Teil zur bekannten Version vertauscht wurden oder wo sich die Handlung völlig neu entwickelt. Ungarns rechte Politiker*innen fanden das schädlich für Kinder und ein Exemplar wurde öffentlich geschreddert.
Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass dieses Buch jetzt bei uns auf Deutsch erschien.

In „Der rubinrote Vogel“ gerät ein hübsches junges Mädchen in die Arme von Poseidon, der ihr jeden Wunsch erfüllen möchte. Da wünscht es sich, keine Frau mehr sein zu wollen, sondern ein Mann. „Goldlaub“ entspricht Schneewittchen, aber hier trachtet ihr Vater nach ihrem Leben. „Das Märchen von der Hexe“ entwickelt sich etwas anders als Hänsel und Gretel. Mammut und Becha leben in einer modernen Siedlung, doch dann kommt eine schreckliche Kälte, die sogar an einem Sommermorgen Eisblumen entstehen lässt. So gelangt Becha zum „Eiskönig“ und Mammut muss sie befreien. „Eisenlaci“ ist ein kleiner Junge, der von einem alten Ehepaar gefunden und aufgezogen wird. In Irland spielt die Geschichte „Margarte und der Riese“. Margarete möchte die Heldin in einem Märchen werden und schließt sich einem Märchenerzähler an. „Vom Rehlein und seinem Geweih“ erzählt von einem Reh, dass gerne ein Geweih hätte und damit gegen die anderen männlichen Tiere kämpfen möchte. In „Die entführte Prinzessin“ lebt die Prinzessin freiwillig bei dem Drachen und hat so die Freiheit, die sie möchte. Ähnlich, wie Aschenputtel, möchte „Rosa auf dem Ball“ möchte Rosa auf dem Ball tanzen. Ihr reicht es aber Ballkönigin zu werden. „Das 6große Abenteuer der winzigkleinen Panna“ ist eine poetische Geschichte, die sich durch das Vorlesen eines Märchenbuches entwickelt. „Kinga und Karola“ sind sich ähnlich wie Zwillinge, doch beide führen unterschiedliche Leben, erst als sie sich treffen zeigen die beiden ihren Mut. Ein ungewöhnlicher Hase wird in „Triodor, der Hase mit den drei Ohren“ geboren, doch es zeigt sich, dass er mit den drei Ohren hervorragend hören kann. In „Der geschraubte Strohhalm“ hilft eine alte Dame einem Mädchen gegen häusliche Gewalt. Der Junge Dani erfährt, dass sein Opa „Der große Alfredo“ war. Wieder ähnelt die Geschichte „Werde glücklich, Batbajan!“ nur dass hier ein junger Mann auf den Ball geht und es am Ende eine Hochzeit der beiden Jungen gibt. Son endet auch „Wie der Prinz die Ehe schloss“, die als Gedicht geschrieben wurde, mit der Hochzeit zweier Männer. Hier kann sich der Prinz nicht in eine Prinzessin verlieben, erst als eine ihren Bruder mitbringt, verliebt sich der Prinz.

Bunt, divers, queer, lesbisch oder schwul in diesem Märchenbuch ist alles normal und möglich. Das Cover und die Zeichnungen im Buch runden die Geschichten schön ab und machen das Buch zu einem Märchenschatz.

Dagmar Mägdefrau