• Kaugummis machen nicht satt

    Kaugummis machen nicht satt

    Katia Simon

    Hase und Igel

    Verlagsempfehlung Klasse 7, 8, 9 und 10

    Marie möchte als Sängerin Siria einen Talentwettbewerb gewinnen, ihre beste Freundin Hilda hilft ihr dabei. Doch in Hildas Zuhause sieht sie das, was sie zuhause so schmerzlich vermisst: Liebende, fürsorgliche Eltern und Geschwister. 
    Abwechselnd schildern Hilda und Marie die Ereignisse der Tage bis zum Wettbewerb – Tage voller Höhen und Tiefen.
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    Maries schwerwiegende Essstörung tritt zunehmend zutage, und Hilda stößt auf einen beunruhigenden Hinweis: Maries heimlichen TikTok-Kanal. Unter dem Hashtag #Thinspo veröffentlicht Marie sogenannte Bodychecks, die auf ihre problematischen Gedanken und ihr gestörtes Selbstbild hindeuten. Hilda reagiert genau richtig, reicht Marie eine helfende Hand und bietet ihr Unterstützung an. Doch Marie muss erst auf schmerzhafte Weise selbst erkennen, dass sie Hilfe braucht.
    Parallel laufen die Vorbereitungen für den Wettbewerb auf Hochtouren. Die Spannung steigt, als eine Jungsgruppe als ernstzunehmende Konkurrenz die Bühne betritt und die Dynamik aufmischt.
    Die Geschichte zeigt die Perspektiven beider Freundinnen: einerseits die äußere Wahrnehmung einer Essstörung und andererseits Maries inneren Kampf. Besonders eindrücklich wird beschrieben, wie Marie ihre Probleme geschickt zu verbergen versucht – mit Ausreden, warum sie nicht essen kann, oder dem überzeugenden Vorspielen, bereits gegessen zu haben. Es zeigt sich, dass eine Essstörung mehr als das ist: Sie ist oft mit tiefliegenden Gefühlen und Gedanken verbunden, wie Perfektionismus, Selbstzweifel und dem belastenden Gefühl, nie gut genug zu sein.
    Marie merkt, dass sie nicht alleine ist und hoffentlich viele Leser*innen auch, bei welchen Problemen auch immer.

    Raphaela Brosseron


    Sowohl der Titel als auch das Coverbild weisen auf das Thema des Buches hin. Magersucht ist leider ein häufiges Problem Jugendlicher. Marie, deren großer Traum es ist, Sängerin zu werden, hat sich im Jugendhaus zu einem Wettbewerb angemeldet. Sie übt mit ihrer besten Freundin Hilda auf deren Dachboden. Hildas unterstützt ihre Freundin nicht nur als Backgroundsängerin.
    Meist sind die beiden nach der Schule bei Hilda, deren große Familie zusammen in einem Haus wohnt. Hier gibt es immer ein gutes Mittagessen, denn Hildas Oma, die sich politisch engagiert, kocht sehr gut für alle. Aber niemand bemerkt zunächst, dass Marie immer neue Ausreden findet, um nicht mitessen zu müssen. Sie selbst lebt bei ihren Eltern, die beide sehr viel Zeit in ihrer Firma verbringen und von Marie exzellente Schulleistungen erwarten. Marie möchte ihre Eltern mit ihrem öffentlichen Auftritt überraschen und hofft auf ihren Sieg.
    Doch als die beiden Mädchen den perfekten Auftritt einiger Mitschüler erleben, ist Marie nicht mehr von ihrem Können überzeugt. Frustriert will sie den Wettbewerb absagen.
    Hilda erkennt langsam Maries Problem und informiert sich, wie sie der Freundin helfen kann.
    Gleichzeitig begegnet ihr Arian, der mit den Staircase Boys auftritt, und sie ist sich ihrer Gefühle nicht ganz sicher, sie mag Arian, will aber Marie nicht verraten.
    Die zwanzig Kapitel werden abwechselnd von den beiden Mädchen erzählt, da neben der Überschrift immer ein kleines Bild zu sehen ist, war leicht zu erkennen, wer da erzählt. So konnte ich sehr gut die Gefühle und Sichtweisen der Protagonistinnen nachempfinden. Besonders Maries Gedanken, die ihre Magersucht rechtfertigen sollen und zeigen, dass sie in erster Linie die Kontrolle behalten möchte, fand ich sehr berührend. Die Erwartungen der Eltern und ihr Ehrgeiz beim Wettbewerb haben Marie einfach überfordert. Wie schön, dass sie in Hilda ein gute und aufmerksame Freundin hat.
    Neben der spannend erzählten Freundschaftsgeschichte gibt es viele Informationen über die Magersucht. Meine Tochter las als Jugendliche ebenfalls ein Buch zu diesem Thema und hat deshalb die Magersucht einer Freundin erkennen können. Deshalb ist es gut, über das Thema informiert zu sein und diese Informationen bietet dieses Buch gut verpackt. Die positive Darstellung der Beratungsstelle fand ich sehr gelungen.

    Dagmar Mägdefrau
  • Der Tunnelbauer

    Der Tunnelbauer

    Maja Nielsen

    Gerstenberg

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Der Sommer 1961 ist für die Jugendlichen in Ost-Berlin vielversprechend, nach dem Schulabschluss freuen sich alle auf ihre Zukunft und nutzen ihre Freizeit mit Freunden, Verliebtsein und langen Nächten. So auch Achim, der sich sofort in die aufgeweckte Freundin seiner Schwester, Chris, verliebt. Doch die politische Situation ist aufgeladen, der einzige Weg in den Westen über West-Berlin wird durch den Bau der Mauer geschnitten, ein erster Freund der Gruppe landet willkürlich im Gefängnis.
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    Achim flieht und lässt zurück, was mit Chris gerade erst angefangen hat. Im Westen schließt er sich einer Gruppe von Freiheitskämpfern an, die einen Tunnel bauen wollen, der die Menschen unterirdisch von der DDR in  die BRD führt. Dabei hat die Stasi sie immer im Visier und lässt es an den übrigen Angehörigen aus…
    Das Buch ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass manches am besten literarisch transportiert wird, denn ein Geschichtsbuch hätte mir die Fakten vermitteln können, aber nicht in diesem Rahmen, was für eine kontinuierliche Angst in dieser Zeit herrschte. Das Wissen, was man bereits hat, wird durch weiteres ergänzt, ich kannte die reale Geschichte des Tunnel 57 zum Beispiel nicht. Aber auch die Anspannung der Zeit, die Sorgen der Menschen, irgendwie in die Fänge der Stasi zu gelangen, wie manipulativ Letztere arbeitete, wurde sehr gut aufgefangen. 
    Nachdem ich das Buch beendet hatte, wollte ich es direkt noch einmal lesen, um wirklich alles aufzusaugen, was die Geschichte von Achim, Chris, Bea und allen anderen zu bieten hat. 
    Am Ende befindet sich eine Beschreibung der tatsächlich existierenden Tunnelbauer, ein Glossar und eine Chronik der Berliner Mauer, sodass man sich sofort tiefer mit dem historischen Kontext beschäftigen kann.  
    
    Raphaela Brosseron
    
  • Weiße Tränen

    Weiße Tränen

    Kathrin Schrocke

    Mixtvision

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    „Wenn weiße Menschen mit Rassismus und ihrem Weißsein konfrontiert werden, fühlen sie sich oft ungerecht behandelt und lenken mit den eigenen Emotionen von den Betroffenen ab. Dieses Verhalten wird als White Tears beschrieben.“ 
    Auch ich empfinde es oft als schwierig, wenn ich merke, dass ich doch wieder einen rassistischen Gedanken habe oder ihn sogar ausspreche. Neben der Scham spüre ich dann auch, dass ich mich gerne rechtfertigen möchte, dass ich irgendwas finden möchte, dass von mir als Täterin ablenkt.
    Lenni und Serkan sind seit der Kita Freunde und die Familien waren damals Nachbarn. Lennis Eltern führen jetzt ein Beerdigungsunternehmen und leben deshalb jetzt in einem anderen, besseren Stadtteil als Serkans Familie. Beide Jungen sind viele Jahre in der Theater-AG und deren Leiter ist Lennis Lieblingslehrer.
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    Doch als der dunkelhäutige Benjamin auftaucht, stellt er gleich zu Recht die „Schule ohne Rassismus“ in Frage. Viele alltägliche Kleinigkeiten verdienen diese Bezeichnung nicht. 
    So muss sich Serkan als Osama ansprechen lassen und das Musical „King Kong“ ist auch nicht frei von rassistischen Elementen, die keiner wahrhaben möchte. Elifs Kopftuch bietet ebenfalls viel Stoff, zumal die Vorbehalte als Schutz für die Trägerin dargestellt werden. 
    Lenni tut sich sehr schwer, Stellung zu beziehen und braucht einige Zeit, bis er versteht, dass Herr Prasch nicht von allen Schülerinnen und Schülern so gemocht wird wie von ihm. Und dass das seine Gründe hat.
    An einigen Stellen des Buches war ich erstaunt, dass vieles anders aussieht, als es scheint und dass ich mir mal wieder an meine Nase fassen musste, weil ich auch in Stereotypen denke. 
    
    Ein wichtiges Buch, dass klar macht, mit welchen Problemen Deutsche mit internationaler Geschichte zu kämpfen haben und dass wir immer wieder versuchen müssen, diesen Rassismus zu erkennen und zu benennen. 
    
    Dagmar Mägdefrau

    Lenni kehrt an seinem ersten Tag nach den Ferien zum Kant-Gymnasium zurück und trifft auf seinen neuen und schwarzen Mitschüler Benjamin. Lenni fokussiert sich auf dessen Afro und spekuliert, ob Benjamin gut tanzen kann, und ob er vielleicht nur aus PR-Gründen da ist. Immerhin bemüht sich die Schule um ihren Ruf als eine "Schule ohne Rassismus". Doch Benjamin erkennt sofort, dass dieser Titel eine Täuschung ist und hat kein Problem damit, dies zu benennen. Sobald Benjamin das Thema anspricht, begegnet ihm eher Entrüstung statt Entschuldigung und eine Flut von "Weißen Tränen".
    Benjamin verschont niemanden, sei es der sonst beliebte Geschichtslehrer oder die Mitglieder der Theater AG. Interessanterweise erleben wir diese Entwicklung aus der Perspektive von Lenni. Obwohl sein bester Freund Serkan und Benjamin ihm Denkanstöße liefern, setzt auch bei ihm der Prozess des Verstehens nur langsam ein. Lenni muss nicht nur von anderen lernen, sondern sich auch selbst mit dem Thema Rassismus und seiner historischen Dimension auseinandersetzen. Die Perspektive ist gut gewählt, da so nicht nur die Betroffenen zum Handeln gebracht werden.
    
    Die Figuren, die zuvor in positivem Licht erscheinen, sind nicht frei von rassistischen Denkmustern. Dies unterstreicht, dass nicht nur offensichtliche Extremisten rassistische Tendenzen aufweisen, sondern auch die nette Nachbarin mit ihrer Abneigung gegen Kopftücher oder der engagierte Geschichtslehrer, der bei der Frage nach Deutschlands Kolonialgeschichte auf einmal doch kein offenes Unterrichtsgespräch mehr zulässt. 
    
    Die Geschichte zeigt geschickt Alltagsrassismus und seine Verankerung im System. Statt oberflächliche Lösungen für ein tiefgreifendes Problem zu liefern, werden Fragen aufgemacht, die zum Nachdenken einladen. Ein äußerst reflektiertes Buch, wie auch das gelungene Nachwort der Autorin zeigt.
    
    Raphaela Brosseron
  • Einfach mehr Luft

    Einfach mehr Luft

    Alexandra Holmes

    Jungbrunnen

    Leseempfehlung ab 13 Jahre

    Ben ist Teil einer großen Familie, genauso weitreichend wie sein Stammbaum ist die familiäre Vergangenheit. Um seine Führerschein zu machen, sammelt er auf den Wegen zu seiner Urgroßmutter einige Kilometer an Übungsstrecke. Sie ist seit dem Tod seines Urgroßvaters die Repräsentantin der Familie und dient als lebendige Verbindung zur Vergangenheit. In maßvollen Dosen offenbart sie Ben Geschichten, in denen jedes Familienmitglied auftauchen kann und die die Auswirkungen der nationalsozialistischen Vergangenheit deutlich werden lassen. 
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    Als Ben an einem Abendessen anlässlich ihres 100. Geburtstags mit dem gegenwärtigen Teil der Familie konfrontiert wird, erkennt er, dass die Spuren der Vergangenheit immer noch da sind und ihr Einfluss überall zu spüren ist.Inmitten dieser familiären und geschichtsträchtigen Anspannung macht er sich auch noch Sorgen um sein Pferd, sodass es ihm manchmal an Luft zum Atmen fehlt. Er sehnt sich nach etwas mehr Freiraum in dieser Situation und fängt an, seine eigene Position in der Konstellation der Generationen zu finden. 

    Der Jugendroman greift geschickt die Themen Familie, Generationen und weitergegebene Erinnerungen auf, während er den Bezug zur Gegenwart nicht vernachlässigt. Angesichts des Verlusts der Zeitzeugen des Nationalsozialismus ist es von großer Bedeutung, respektvoll und angemessen mit diesem Thema umzugehen. Es ist umso erfreulicher, dass dies in einem Jugendroman stattfindet. Die Urgroßmutter wählt bewusst ihre Worte sorgfältig aus und gibt den Erinnerungen Überschriften, ohne jemals aus der Ich-Perspektive zu erzählen. Ben, der sympathische Protagonist, besitzt ein feines Gespür für Vergangenheit und Gegenwart und zeigt, dass man nicht nur die Vergangenheit seiner Vorfahren ist, sondern viel mehr sein kann. Die Aufteilung der Kapitel nach den Gängen des Geburtstagsessens verstärkt die Spannung und erzeugt eine theaterähnliche Atmosphäre. Ein lesenswertes Buch, das sowohl die junge Generation als auch die ältere anspricht.

    Raphaela Brosseron
  • Dann geh doch die Welt retten

    Dann geh doch die Welt retten

    Inéz Maria Jiménez

    Carlsen Clips

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Die fünfzehnjährige Sofie sieht ein Video, in dem eine Schweintransporter einen Unfall hat. Das nimmt sie derart mit, dass zukünftig auf Fleisch verzichten möchte. In ihrer Familie stößt sie da auf wenig Verständnis und auch ihre Freunde reiben sich immer mehr daran, dass Sofie bei vielem fragt, was das mit der Umwelt tut. So hat sie eine Mitschülerin verärgert, weil sie ihr vorwarf in Billigläden zu kaufen. Da sie mit ihre verständlichen Vorwürfen nicht sehr diplomatisch vorbringt, ist schnell die ganze Klasse gegen sie und sie verliert sogar ihre beste Freundin Olivia.
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    „Öko-Schlampe“ nennt sie ausgerecht Marc, in den sie etwas verliebt ist. 
    Als der Klassenlehrer den Klimawandel zum Thema macht, erarbeitet Sofie ein fundiertes Referat, doch die Klasse glaubt nicht an die von ihr vorgebrachten Fakten. Sie wollen sich nicht einschränken und finden viele Argumente dagegen. So entschließt sich Sofie zum Streik und obwohl die Schulleitung den mit Hilfe ihrer Eltern beendet, wird eine Klima-AG ins Leben gerufen. Aber erst ein Unglück bringt die anderen zum Umdenken.
    
    Klimaretter*innen scheinen trotz Greta immer noch allein zu stehen. Ganz schlimm wird es dann, wenn sie, wie Sofie, noch gemobbt werden. Das Buch wird mit viel Gefühl, aber auch klaren Fakten erzählt. Sicher werden die Leser*innen sich weiter informieren und ihre Haltung überdenken. Vielleicht sollten sie es aber auch ihren Eltern zum lesen geben, vielleicht wird dann doch die nächste Kreuzfahrt abgesagt.
    
    Dagmar Mägdefrau
  • Still!

    Still!

    Dirk Pope

    Hanser

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Mariella ist nach der Trennung vom Vater in eine Kleinstadt gezogen und nun spricht sie nicht mehr. Die notwenige Kommunikation mit der Mutter erfolgt über WhatsApp. Ihre Eltern, Lehrer und Mitschüler können sie nicht zum Reden bringen und die meisten reagieren aggressiv. „Die ist zu dumm zum Reden, dümmer als ein Stück Brot“ ruft Isabell zur Erklärung in die Klasse. Besonders ihre Deutschlehrerin führt sie immer wieder vor. Aber Mariella bleibt stur, ihr sind die vielen Worte und die 15.000 täglichen Wörter ihrer Mutter, einfach zu viel. Nur ein netter Hausarzt und der fachfremde Englischlehrer bringen Verständnis auf. 

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    In ihrem Kopf hat Mariella allerdings viele Worte und Gespräche. So gibt es immer wieder Interviews der Ifas (Institut für angewandtes Schweigen), die zum Teil sehr rabiat sind. Dann gibt es kleine Gespräche zwischen den unterschiedlichsten Menschen. Da antwortet der Hausarzt dem Komponisten Arvo Pärt, den sie sehr verehrt.
    Mariellas geheimer Zufluchtsort ist ein Turm, dort sitz sie gerne in einem gesperrten Teil. Aber eines Abends sitzt dort ein Junge auf ihrem Platz. Stan ist gehörlos und die beiden „unterhalten“ sich über WhatsApp. Nach einem Vorfall im Sportunterricht bei dem Mariella im Gesicht verletzt wird, spitzt sich die Situation immer mehr zu. 

    Ich, die ich sicher auch viele tausend Worte am Tag spreche und die meint, dass Kommunikation ganz wichtig ist, kann mich nicht in Mariella hineinversetzen. Viele Erzählungen/Serie leben davon, dass Menschen nicht miteinander sprechen. Mariella hat Gespräche in ihrem Kopf und nutzt WhatsApp zur Kommunikation. Das zeigt für mich, dass es wohl nicht wirklich möglich ist ohne Worte zu leben. 

    Es gibt durchaus interessante Gedanken und schöne Sätze in dem Buch, aber trotzdem macht die Geschichte für mich keinen Sinn. Die Gewalt gegenüber Mariella finde ich beängstigend und die Hilflosigkeit der anderen zeigt, wie wichtig es ist miteinander zu sprechen. Ich denke, auch mich würde das Verhalten von Mariella aggressiv machen, ich wüsste damit nicht umzugehen. Im Gegensatz zu allen anderen öffnet sie sich ja Stan und nur dadurch kann die Freundschaft entstehen.

    Dagmar Mägdefrau

  • Um 180 Grad

    Um 180 Grad

    Julia C. Werner

    Urachhaus

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Lennard muss einer alten Dame im Altersheim vorlesen. Seine Aufgabe als Lesepate hat er einer Graffiti-Aktion zu verdanken. So lernt er Frau Silberstein kennen. Die Dame mit den silbernen Haaren ist ihm gleich zugetan und freut sich über die Besuche. Nach und nach erzählt sie ihm von ihrer Vergangenheit. Sie ist eine Holocaustüberlebende und trägt traurige Erlebnisse mit sich herum. Lennard möchte zunächst nicht ins Heim, doch dann sieht er ein großartiges Mädchen.

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    Lange Zeit weiß er selbst nicht, weshalb er jeden Dienstag ins Heim geht. Er liest das Buch „Tschick“ vor, in dem er Parallelen zu seinem Leben sieht. Frau Silbersteingefällt das Buch und sie freut sich etwas über die Jugend zu erfahren. Lennard reift in der Geschichte und sein Verhältnis zu der alten Dame wird immer enger. 
    Sowohl der normale Familienalltag als auch das Verhältnis zu seinen Freunden wird lebendig erzählt. Dramatisch sind die Geschichten, die wir von Frau Silberstein erfahren. Aber auch der Alltag im Pflegeheim ist manchmal für den Jungen schwer zu ertragen. Gut, dass die Schwester Susanne so menschlich ist. 

    Ein Buch, dass viel über das Leben des Mädchens in Auschwitz erzählt, aber auch die Probleme der Seniorin nicht außen vorlässt. Es ist schön, der positiven Entwicklung Lennards zu erleben. Sicher nicht nur ein Jugendbuch, aber ganz klar für Jugendliche spannend.

    Dagmar Mägdefrau

  • Tayo bleibt!

    Tayo bleibt!

    Andreas Schlüter

    Carlsen

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Lisa ist die Tochter eines Polizisten und zusammen mit ihrer Freundin Hülya ist sie auf dem Rückweg von der Disco, als auf dem Bahnsteig sich Skinheads seinem afrikanischen Jungen nähern. Durch Lisas Eingreifen gelingt den Dreien die Flucht in eine S-Bahn.  Am nächsten Tag kommt Tayo in Lisas Klasse. Sie versucht ihn weiterhin zu unterstützen, aber da ihr englisch nicht besonders gut ist, ist das eine schwierige Sache.

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    Manchmal übertreibt Lisa auch und engt den Freund ein. Sie erfährt einiges über Nigeria und über die schwierige häusliche Situation Tayos. Dass der ein guter Fußballer ist, führt dazu, dass er beim HSV in der Jugendmannschaft spielen darf. Tayo träumt davon als Profi unabhängig werden und trainiert gerne. Allerdings ist sein Vater, der inzwischen mit einer anderen Frau zusammen lebt, ein sehr gläubiger Muslim und er schickt Tayo in eine Koranschule. 

    Nachdem das Buch einen Jahressprung macht, hat Tayo gut Deutsch gelernt und trotz seiner Zurückhaltung ist er beliebt. Doch dann kommt sein 18. Geburtstag und damit erhält er seinen Abschiebebescheid. Lisa zieht alle Register um den Freund vor der Abschiebung zu retten.

    Leider ist das Buch sehr an der Realität, der „Fall“ ereignete sich schon vor Jahren in Hamburg und er passiert täglich in unserem Land. Oft hört man dann von der Unterstützung aus der Bevölkerung. Aber oft geht es so schnell, dass wir nichts davon erfahren.

    Dagmar Mägdefrau

  • Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen

    Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen

    Steven Herrick

    Thienemann

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019

    Wie schon bei dem ebenfalls ausgezeichnete Buch „Wir beide wussten, es war was passiert“ sind auch hier die Texte in Gedichtform gedruckt. Die Kapitel sind sehr kurz gehalten und beschreiben eine Kindheit in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts in Australien. Die Brüder Harry und Keith leben mit ihrem Vater in einem Holzhaus, das braun, schäbig und trist ist. Jeden Nachmittag, wenn der Vater von der Arbeit kommt schneidet er eine Wassermelone auf und isst sie mit den Söhnen.

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    Die Mutter starb vor einigen Jahren und immer Mittwochs Nachmittags kommt Tante Alice mit Kuchen. Linda ist Harrys Freundin, die unter unklaren Umständen im Fluss ertrinkt. Harry verehrt Miss Spencer aus der Entfernung und als sie von Wayne geschwängert wird, verlässt sie den Ort. Daraufhin wirft Harry Waynes Scheiben ein. Mit Waynes Bruder Johnny ist Harry befreundet und die beiden eint die Liebe zu der toten Linda.  Dazwischen gibt es alltägliche Episoden und einige Rückblicke und am Ende entsteht doch ein Bild von der Kindheit und Jugend in einem kleinen australischen Ort an dem jeder jeden kennt.

    Das Buch ist auf eine sehr poetische Art geschrieben, es gibt durchaus Gewalt, so verliert der Vater auf der Arbeit einen Finger, und Streit, aber der Text plätschert ruhig weiter. 

    Dagmar Mägdefrau

  • Winterpferde

    Winterpferde

    Philip Kerr

    rowohlt rotfuchs

    Verlagsempfehlung ab 13 Jahre

    Ein sehr düsteres Buch, dass in der Ukraine im Kriegswinter 1941 spielt. In einen Naturreservat, dass ein deutscher Baron gegründet hat, leben die seltenen Przewalski-Perde. Urpferde, die  man schon an den Wänden der Höhlen der Steinzeitmenschen findet. Max, ein alter Tierpfleger kümmert sich um die wilden, unzähmbaren Tiere.
    Doch auf ihrem Rückzug aus Russland kommt die deutsche SS dort hin. Ihr Hauptmann ein Olympia-Reiter und angehender Jurist ist von der Rassenideologie der Nazis derart überzeugt, dass er diese Pferde, die nicht der deutschen Zuchtordnung entsprechen, ausrotten will. Befehl aus Berlin.

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    Diese Gruppe Soldaten hat in einem anderen Ort viele Juden erschossen, aber Kalinka konnte fliehen und hat jetzt 300 km zu Fuß zurückgelegt. Sie freundet sich mit dem übrig geblieben Paar Przewalski-Perde an. Und es ist spannend, wenn auch unglaubwürdig zu lesen, wie intelligent diese Pferde ihr bei einer neuerlichen gemeinsamen Flucht helfen.
    Kalinka findet in Max einen Freund und besonders die Liebe der Pferde lassen sie wieder an das Leben glauben. Zuletzt trifft sie noch auf einen deutschen Hauptmann, der sie sehr unterstützt und findet Kalinka, das nicht alle Deutschen schlecht sind. Am Ende singen die russischen Soldaten der roten Armee für sie das Lied, nach dem sie benannt wurde.

    Ein trauriges, spannendes, versöhnliches Buch über eine schlimme Zeit. Ich finde die Geschichten über die Pferde übertrieben, aber vielleicht habe ich auch nur zu wenig Ahnung von Pferden und besonders von Przewalski-Perde.

    Dagmar Mägdefrau