• Die Farbe der Haut mit allen Sinnen

    Die Farbe der Haut mit allen Sinnen

    Sarah Drews

    nalingi

    Leseempfehlung ab 4 Jahre

    Auf dem Cover sind ganz eng aneinander gedrängt sechs Kinder zu sehen, alle haben eine unterschiedliche Hautfarbe.
    Auf der ersten Doppelseite sind die Kinder tobend auf einer Wiese zu sehen, danach tauchen auch ihre Familien auf, zwei Väter heben die Hände und klatschen sich ab.
    mehr oder weniger lesen
    Dann tauchen zwei Tauben auf, die verwundert fragen, warum die Haut der Kinder so unterschiedlich sei. Eine ungewöhnliche Frage von Tieren, die selbst die unterschiedlichsten Abschattierungen aufweisen. „Die Kinder erwidern: „Kommt mit und lasst uns beginnen. Wir erklären euch die Farbe der Haut mit all unseren Sinnen.“ Zunächst berichtet Tea von ihrer Familie, die gerne Obst isst und sie erklärt, dass der Geschmack dieser Speisen auch unterschiedlich sei. Zoe, die bald ein Brüderchen bekommt, zeigt auf die Wolken, die auch in den unterschiedlichsten Formen am Himmel zu sehen sind. Im Wald steigt Finn mit der Hilfe seines Papas auf einen Baum, währen die Mama mit dem Baby auf einem Baumstumpf Platz genommen hat. Hier geht es um die Beschaffenheit der Bäume, die auch sehr unterschiedlich ist. Auf einer Wiese treffen wir Ebi und ihre Familie, die uns auf die unterschiedlich duftenden Blumen hinweist. Es wird schon dunkel als Mik mit seiner Familie Musik macht und er erklärt, dass auch beim Gesang, die unterschiedlichsten Klänge entstehen. Lui zeigt uns die Sterne und sagt „Die Farbe der Haut ist wie diese Sterne, sie sind unfassbar viele und ich mag sie gerne.“ Die Tauben sind mit diesen Erklärungen zufrieden und so endet das Buch mit den Worten:
    „Die Farbe der Haut ist wie der Himmel bei Tag und bei Nacht. Und vergesst nicht, ihr seid wunderschön, besonders dann, wenn ihr lacht.“
    Die Illustrationen sind sehr einfach gehalten und es fallen besonders die riesigen Augen auf. Der gereimte Text holpert manchmal ein wenig beim Lesen und so ganz überzeugt mich die Argumentation nicht, die darauf hinausläuft, dass es fast alles auf unserer Welt in den unterschiedlichsten Variationen gibt, warum soll dann Haut immer gleich aussehen?

    Dagmar Mägdefrau
  • Der Biber mag den Otter lieber

    Der Biber mag den Otter lieber

    Andrea Schomburg

    Andrea Stegmaier

    Rotfuchs

    Verlagsempfehlung ab 4 Jahre

    „Reimgeschichten übers Anderssein“ lautet der Untertitel des Buches und das Cover zeigt uns den Biber, der dem Otter einen Fisch schenkt. 
    Die Biberoma möchte, dass Billy Biber sich eine Frau sucht, doch als sie sieht, wie Billy den Otter Otto küsst, sagt die Oma „Wenn sie sich lieben – warum nicht!“
    mehr oder weniger lesen
    Auf der nächsten Doppelseite lernen wir Klaus Braunbär kennen, der seinen Winterschlaf unterbricht, um im Schnee zu spielen. Ich bin total begeistert von der nächsten Seite, denn dort stehen ganz viele rosa Flamingos und dazwischen Ringo ganz in grün. Denn er meint „Dies Grün für mich ist´s richtig! Ich find mich schön, Nur das ist wichtig!“ Aus Liebe zu einer Möwe zieht der Löwe nach Helgoland und fühlt sich so wohl dort, dass er ihr sagt „Ach, Erika! So nett wär´s nie in Afrika!“ Hahn Stanislaus tauscht seinen Job mit der Henne Lu, die nun am morgen kräht. „Wolf Willibald wird Vegetarier“ erzählt von einem Wolf, der sein Rudel verlässt und sich um die Rehe kümmert. 
    Jedes dieser wundervoll gereimten Gedichte über Tiere, die nicht das tun, was wir gemeinhin als normal bezeichnen, habe ich mit viel Freude gelesen. Ich liebe es, wenn die gereimten Texte so glatt über die Zunge sausen und das ist hier der Fall. Großformatige Bilder erfreuen zusätzlich das Auge, alles in allem ein erstklassiges Bilderbuch mit Humor und Witz, aber auch mit einem ernsten Thema.

    Dagmar Mägdefrau

  • Richtig anders, anders richtig

    Richtig anders, anders richtig

    Kathrin Köller

    Irmela Schautz

    Hanser

    Verlagsempfehlung von 9 – 99 Jahren

    Neurodivergent ist ein Begriff, den ich in letzte Zeit häufiger höre. Diese Buch erklärt auf sehr verständliche Weise, was dahintersteckt. 
    Zunächst habe ich verstanden, dass unser Gehirne nicht alle gleich funktionieren und dass, das, was ich denke oder wie ich eine Situation erlebe, nicht für alle gilt. So gibt es einen Leitfaden „DSM-Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“, der alle diese Hirne beschreibt.
    mehr oder weniger lesen
    Wobei der Begriff Störung schon sehr störend ist, denn anders zu funktionieren bedeutet ja nicht, dass da eine Störung vorliegt. Es wurden mir viele Menschen vorgestellt, deren Diagnose ADHS, Autismus, LRS oder Dyskalkulie lautet. Sie haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht und erklären hier, welche Schwierigkeiten sie bewältigen mussten. Eine davon ist sicher die späte Diagnose, die dann endlich erklärt, warum sie sich anders fühlen. 
    Gut gefielen mir die „Ratschläge“ im Umgang mit Neurodiversität, denn oft machen wir mit unserer vermeintlichen Hilfe, die Situation noch schlimmer. Eine Doppelseite ist auf dem Kopf gedruckt und hier werden wir Neurotypischen zur Ausnahme, ein tolle Idee, die unserer „Normalität“ in Frage stellt.
    Einige Illustrationen springen mich förmlich an, kleine Sacherklärungen geben schnelle Auskunft, die Denkweisen werden beschrieben und es war für mich sehr faszinierend zu lesen, mit welchen Problemen da gekämpft wird.
    Sicher bin ich jetzt keine Fachfrau auf dem Gebiet, aber ich werde im Umgang mit meinen Mitmenschen nicht immer mich als Maßstab nehmen, sondern mal versuchen, andere Gehirne zu verstehen.
    Ich möchte das Buch besonders Erzieher*innen und Lehrer*innen ans Herz legen, denn sie sind es, die neurodivergenten Menschen das Leben erleichtern können.

    Dagmar Mägdefrau


  • Diskriminierung geht uns alle an  

    Diskriminierung geht uns alle an  

    Herausgeberin Josephine Apraku

    Carlsen

    Leseempfehlung ab 12 Jahre

    Auf dem Cover ist eine bunte Schar der unterschiedlichsten Menschen zu sehen. Sie alle tragen den Titel als Banner, zusätzlich hat noch ein Mann ein Schild mit der Aufschrift Solidarität in den Händen. 
    mehr oder weniger lesen
    19 Autor*innen und Illustrator*innen haben an diesem Buch mitgewirkt. Ihre Texte, in die sie eigene Erfahrungen einfließen lassen, sind sehr gut verständlich und ich habe sie sehr gut lesen können. Die Illustrationen ergänzen ebenso wie die farbig unterlegten erklärenden Abschnitte. 
    Nach dem Vorwort geht es zunächst um eine Definition des Begriffes Diskriminierung. „Manchmal denken Menschen, dass Diskriminierung auf persönlichen Vorurteilen beruht. Das stimmt aber nicht, denn "Diskriminierung ist strukturell.“ Das ist ein Satz, der mich sehr nachdenklich gemacht hat. Überhaupt gefiel es mir gut, dass es hier keine Schuldzuweisungen gibt, sondern nur den Wunsch, dass alle einsehen, dass wir nicht alle gleich sind, wir aber die gleichen Rechte haben sollten.
    Vom englischen „able“ wird der Begriff „Ableismus“ abgeleitet, er bezeichnet die Diskriminierung von behinderten Menschen, beim „Ageismus“ geht es darum, junge und alte Menschen zu diskriminieren. Judenfeindlichkeit wird „Antisemitismus“ genannt und leider gibt es hier viele aktuelle Beispiele. Für die Diskriminierung von Menschen, die nicht heterosexuell sind, gibt es den Begriff „Heterosexismus“. Wenn Menschen ein geringes Einkommen haben oder wohnungslos sind, wird deren Diskriminierung „Klassismus“ genannt, denn unserer Gesellschaft hat viele Klassen, die nicht die gleichen Möglichkeiten haben. Wenn es nur um das Aussehen geht, spricht man von „Lookismus“. „Rassismus“ ist ein bekannter Begriff, wird aber in diesem Buch sehr gut und weitreichend erklärt. Um „Sexismus“, also die Ungleichbehandlung von Frauen, geht es im letzte Kapitel.
    Das Buch ist für mich eines der besten Sachbücher zu diesem Thema und das in erster Linie, weil es sehr gut zu verstehen ist und die einzelnen Diskriminierungsformen sehr gut beschrieben sind.

    Dagmar Mägdefrau
  • Wie ein Foto unser Leben rettete

    Wie ein Foto unser Leben rettete

    Maya C. Klinger

    Isabel Kreitz

    Insel

    Verlagsempfehlung ab 7 Jahre

    Yad Vashem Kinder- und Jugendbuchpreis 2022

    Auf dem Cover lernen wir die Familie Mandil kennen, die in Novi Sad (Jugoslawien), ein Fotostudio betreibt. Die Eltern Mosche und Graviella stehen in der Tür. Gavra, der uns diese Geschichte erzählt, hat einen Fotoapparat in der Hand und seine kleine Schwester Irene, genannt Beba, sitzt mit ihrer Puppe auf den Stufen.
    mehr oder weniger lesen
    Vor dem 2. Weltkrieg lebt die Familie in Novi Sad, doch als sie die Großmutter in Belgrad besuchen, erleben sie zum ersten Mal einen Bombenangriff. Nach einigen schlechten Erfahrungen mit deutschen Soldaten, entschließt sich die kleine Familie, sich in Sicherheit zu bringen. So landen sie zunächst mit anderen geflüchteten Juden in einem italienischen Gefängnis. Dann machen sie sich auf den Weg nach Albanien, denn sie haben gehört, dass die Menschen dort Juden aufnehmen. So geht es weiter nach Tirana und dort kann Mosche, der sich inzwischen Mirko nennt, wieder als Fotograf arbeiten. Refik, ein junger Albaner, der auch dort arbeitet bringt später die vier Mandil aufs Land zu seiner Familie, bei der sie versteckt in einem kleinen Zimmer über dem Stall, den Krieg überleben.
    Da die Albaner einen Ehrenkodex haben, der besagt, dass sie Gäste mit ihrem Leben schützen, kam es für Refiks Familie nicht in Frage, die jüdischen Flüchtlinge fortzuschicken. Erstaunlich, dass gerade ein muslemisches Land mehr Mitgefühl für Juden aufgebracht hat als all die christlichen Länder. Gerade, weil diese wahre Geschichte aus Sicht des zu Anfang fünfjährigen Gavra erzählt wird, konnte ich die Angst des kleinen Jungen gut nachempfinden. In dem Buch gibt es einige authentische Fotos, aber sehr viel Zeichnungen, die den Stil der Foto weiterführen.
    Ein berührendes Buch über eine kleine Familie, die das Nazi-Regime durch die aufopfernde Unterstützung eines albanischen Dorfes überlebt haben. Ich habe nicht verraten, warum und welches Foto zum Lebensretter wurde, das soll jeder selbst lesen dürfen.

    Dagmar Mägdefrau

  • Sam besucht Oma und Omi in Großbritannien

    Sam besucht Oma und Omi in Großbritannien

    Toni Kohm

    marta press

    Leseempfehlung ab 4 Jahre

    KIMI-Siegel für Vielfalt 2020

    Auf dem Cover ist der kleine Sam zu sehen, der im Flugzeug alleine nach Großbritannien zu Oma und Omi fliegt. Er ist sehr stolz darauf, dass er das geschafft hat und er winkt den beiden Frauen, die an der Ankunft seinen Namen rufen, begeistert zu. 
    mehr oder weniger lesen
    Weiter geht es mit dem Zug und auf der dazugehörigen bunten Doppelseite kann man viel entdecken. Nach dem Spielen ist Sam so erschöpft, dass Oma ihn schlafend ins Bett bringt. Der Duft des typisch englischen Frühstücks weckt Sam und wir sehen, was es alles dort zu essen gibt. Nach ein paar Turnübungen geht es zum Surfen, später gibt es ein „groooßes Eis“. Zuerst begleitet Sam Oma und hilft ihr bei den Graphites, dann geht es auf Omis Baustelle. Neben der königlichen Familie (allerdings noch mit der Queen) lernen wir einiges von London kennen. Nachdem Sam mit Omi und Oma zur Pride gegangen war, heißt es Abschied nehmen.
    Sam erlebt mit den beiden Frauen wundervolle, erlebnisreiche Ferien und wir dürfen die Drei dabei begleiten. Sehen das Alltägliches und das Besondere, alles bunt bebildert und mit kurzen Texten. Ein fröhliches Buch voller schöner Erlebnisse.

    Dagmar Mägdefrau


  • Zweiklang       

    Zweiklang       

    Elin Hansson

    Arctis

    Leseempfehlung ab 14 Jahre

    Liebe-Buchtipp April 2025

    Obwohl das Cover sehr japanisch anmutet, spielt die Geschichte in Norwegen, allerdings übernimmt ein japanischer Dozent eine wichtige Rolle ein.
    Torleif bezeichnet sich selbst als queer und das Internat in der Stadt macht ihm auch gar keine Schwierigkeiten.
    mehr oder weniger lesen
    Seinen besten Kumpel Kim, der ebenfalls homosexuell ist, unterstütze ich sehr, denn er ist bei seiner Mutter sehr frei aufgewachsen. 
    Torleif hingegen hatte in seinem Heimatdorf Probleme mit den Vorurteilen der anderen Bewohner, deshalb hat er seine sexuelle Ausrichtung auch immer verschwiegen. Seit dem Tod seiner Mutter hat er es auch vermieden, nach Hause zu Vater und Bruder zu fahren, deren großes Hobby die Jagd ist. Doch dann hat sein Großvater, den er Goffa nennt und der ein großer Geigenbauer ist, einen Schlaganfall und Torleif fährt zu seiner Unterstützung in das kleine Dorf in den Bergen. Schon bald trifft er auf seinen alten Freund, der sich außer, dass er dicker geworden ist, nicht verändert hat. Torleif spielt selbst sehr gut Geige und wird von Anne, seiner alten Dozentin, gebeten, sie zu vertreten. So lernt er den japanischen Künstler Horimyo kennen, von dem er sich magisch angezogen fühlt.
    Das Buch zeigt, wie schwer es ist, sich zu outen und seiner Umgebung zu gestehen, dass man queer ist. Torleif ist ein junger Mann, der die Trauer um seine Mutter immer noch nicht verarbeitet hat und der von seinem Vater und seinem älteren Bruder keine Unterstützung erwartet. Ganz anders ist sein Verhältnis zu seinem Goffa. Der alte Mann kann die Gefühle seinen Enkels gut erkennen und er gibt ihm immer wieder Mut, sich dem Leben zu stellen.
    Toreif erzählt seine Geschichte in dem Buch selbst, so konnte ich seine Gefühle sehr gut mitempfinden und mit ihm leiden. Ein sehr sensibel geschriebenes Buch mit viel Musik (die Playlist kann man herunterladen) und wundervollen Aussagen. Zitat Goffa: „Jeder muss so sein dürfen, wie er ist.“

    Dagmar Mägdefrau
  • Alle Menschen

    Alle Menschen

    Elisa Gravel

    Hanser

    Verlagsempfehlung ab 3 Jahre

    Auf dem Cover sind bunte Gestalten zu sehen und mein Enkel (fast 7) bemängelt, dass das keine Menschen sind. Mit gefällt die Darstellung gut, gerade, weil es keine Menschen sind.
    Der Text auf jeder Seite beginnt mit „Jeder Mensch“, zunächst folgt die Aussage „…ist einzigartig und anders. Aber wir sind uns ähnlicher, als wir denken.“
    mehr oder weniger lesen
    So erfahren wir, dass jeder Ängste hat, auf dem Bild sehen wir ein verängstigtes Wesen auf dem Bett sitzen und unter dem Bett sitzt ein anders Wesen, das nicht sehr freundlich wirkt mit seinen spitzen Zähnen. Es gibt Gründe sich zu freuen oder traurig zu sein. Wir können auch Fehler machen, das Bild zeigt jemanden, der vom Rad fällt und sich den Kopf weh tut, aber es lernt und setzt einen rosa Helm auf. „Jeder Mensch wünscht sich Freunde und jeder kann ein Freund sein“ gefällt mir besonders gut. Aber auch die Seite mit der Wut kommt hervorragend rüber. Die Sache mit der Toilette sehe ich nicht ganz so klar, es gibt ja schließlich auch Windeln. Unterstützung brauchen und helfen, passt wieder bestens. 
    Es gibt noch vieles, was wir Menschen gemeinsam haben, und so endet das Buch mit der Aussage „Wir sind alle Menschen.“
    Das Buch zeigt mit einfachen Worten und einfachen und doch ausdrucksstarken Bildern, was Menschsein bedeutet. Toll gemacht!

    Dagmar Mägdefrau
  • Der Duft von Apfelkuchen – Die Geschichte des Mädchens Renate Inow aus Elberfeld

    Der Duft von Apfelkuchen – Die Geschichte des Mädchens Renate Inow aus Elberfeld

    Andrea Behnke

    Andrea Hold-Ferneck

    Herausgegeben von Ulrike Schrader im Auftrag des Trägervereins Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal e.V.

    Hentrich & Hentrich

    Verlagsempfehlung ab 8 Jahre

    Fast ist es ein Bilderbuch oder doch eher ein Fotoalbum, das aus dem Leben von Renate, die sich später Renie nennt, erzählt. Das Bild auf dem Cover zeigt sie als Siebenjährige, sie schaut etwas schüchtern in die Kamera, damals war das Fotografieren noch etwas Seltenes. 
    mehr oder weniger lesen
    Hinter ihr sind die Äpfel zu sehen, die uns im Buch begleiten werden.  Auch im Inhaltsverzeichnis tauchen sie mit der Angabe der Seitenzahl wieder auf. 
    Nach dem Vorwort mit den Jahreszahlen von Renate und einer kleinen Anekdote aus ihrem Leben, lernen wir den Vater kennen, der gerne Cello spielt und der sich liebevoll um seine Jüngste gekümmert hat. Die Familie ist gerne in der Natur unterwegs, aber sie reisen auch gerne mit „dem Finger auf der Landkarte“ durch die Welt. Ein regelmäßiges Ziel ist Bochum, denn dort wohnt Gromi, die Großmutter, die so herrlichen Apfelkuchen backt, dessen Duft Renate in Erinnerung bleibt und der dem Buch seinen Titel gab. Bis ihre große Schwester Grete nach Schweden fährt, verleben die Schwestern unbeschwerte Stunden miteinander. Deshalb fällt Renate der Abschied sehr schwer. Erst im Laufe der Zeit wird Renate ihr jüdisch-sein bewusst und als der Kantor sich das Leben nimmt, „fühlt sie sich wie ein Kastanienblatt im Wind.“
    Andrea Behnke hat in der Begegnungsstätte Alte Synagoge in Wuppertal, Renate/Renie Inow „gefunden“, denn hier werden die Erinnerungen, die dieses Buch füllen, aufbewahrt.
    In dem Buch wird das Leben anschaulich dargestellt, der meist einseitige Text wird von einem Foto oder einer Collage ergänzt und gewinnt dadurch an Intensität. Kleine Zettel mit einer gezeichneten Büroklammer stellen den lesenden Kindern Fragen. Ganz zu Ende des Buches können die dann selbst ein Bild malen, eine Geschichte erzählen oder vielleicht wie Renate ein Herbarium basteln.
    Andrea Behnke schafft es in einer sehr anschaulichen Sprache, traurige und frohe Momente aus dem Leben Renates sehr fein zu vermischen, ergänzt durch die sehr gut zusammengestellten Illustrationen ist hier ein wundervolles Buch entstanden, das die Gräuel der NS-Zeit für Grundschüler*innen verständlich macht.

    Dagmar Mägdefrau



  • Korianderkuss

    Korianderkuss

    Antje Herden

    Tulipan

    Verlagsempfehlung ab 12 Jahre

    Fred und Rosa sind schon ewig beste Freundinnen, doch Fred verliebt sich – ein Gefühl, mit dem Rosa bisher noch nicht viel anfangen kann. Jetzt entsteht eine Lücke in Rosas Leben: eine Fred-Lücke. Vor allem, weil sie außer Fred und ihrer Mutter kaum jemanden an sich heranlässt.
    mehr oder weniger lesen
    Doch dann kommt Kim neu in die Klasse, und Rosa ist plötzlich interessiert. Nicht wie alle anderen an Kims Geschlecht, denn Kim ist nicht binär, sondern an der Person selbst. Kim ist schlagfertig, klug und mysteriös – und vielleicht kann Rosa mit dem Verliebtsein ja doch etwas anfangen.
    Es passiert irgendwie ziemlich viel in der Geschichte: Ein weiteres Thema ist Jonas Ritter, Rosas Vater, den sie nicht kennt. Er schickt ihr plötzlich einen Brief, in dem er mitteilt, dass er für immer nach Australien geht, aber noch einen Hinweis auf ein Gartengrundstück hinterlässt. Gemeinsam mit Kim macht Rosa sich auf die Suche und findet es tatsächlich. Diese Aktion von ihrem Vater bleibt aber letztlich recht bedeutungslos für die Handlung. Kim entpuppt sich zufällig als Gemüseexpert*in und scheint generell viel Ahnung von allem zu haben.
    Fred ist ebenfalls noch präsent und versucht manchmal, das Gespräch mit Rosa zu suchen. Was mir persönlich jedoch gar nicht gefallen hat: Rosa reimt ständig vor sich hin. Sie sagt zwar selbst, dass sie keine Poetin ist, aber als Kim irgendwann meint, einige Reime seien „ziemlich gut“, halte ich das für eine glatte Lüge. Selbst wenn die Reime absichtlich „schlecht“ sein sollen, haben sie für die Geschichte keinerlei Mehrwert und waren eher unangenehm zu lesen.
    Gegen Ende analysiert Kim Rosas Einzelgänger-Dasein und zieht daraus Schlüsse, die wohl alles zusammenführen sollen. Für mich blieben diese Erkenntnisse jedoch unverständlich, da die Textsignale dazu wohl an mir vorbeigegangen sind.
    Was ich an Rosa mag, ist ihre Fähigkeit, Fehler einzugestehen. Perfekte Figuren sind schließlich nicht so interessant wie eine Rosa. Die Beziehung zwischen Kim und Rosa ist wirklich niedlich dargestellt, und die Szenen rund um ihre gemeinsame Gartenarbeit waren ebenfalls interessant.
    Insgesamt war die Konstruktion der Handlung für mich nicht ganz klar, und sprachlich waren Rosas Gedichte definitiv ein Minuspunkt. Positiv hervorheben möchte ich jedoch den Umgang mit dem Thema Gendern. Hier werden viele praxisnahe Beispiele gezeigt, die gut funktionieren – zum Beispiel klingt „Blödmensch“ statt „Blödmann“ sogar richtig gut.

    Raphaela Brosseron

    Rosa Eliza Retter hatte eine beste Freundin namens Fred, doch die hat jetzt die Liebe zu einem Jungen entdeckt, dessen Namen Rosa nicht aussprechen möchte. Deshalb hält Rosa Distanz zu Fred, selbst in der Schule spricht sie nicht mit ihr. Da kommt jemand Neues in die Klasse und Kim fasziniert Rosa von Anfang an. Nicht nur die Schönheit von Kim ist besonders, auch das Auftreten und die Schminkkunst ist perfekt. Kim definiert sich als keinem Geschlecht zugehörig und scheint aber Rosa gerne um sich haben zu wollen.
    Rosa lebt mit ihrer Mutter zusammen, mit der sie sich sehr gut versteht und die ebenfalls die Dreizehnjährige gut versteht. Rosas Erzeuger ist schon vor ihrer Geburt ins Ausland gegangen und hat sich all die Jahre nie gemeldet. Jetzt schenkt er ihr einen Garten, der hinter einer undurchdringlichen Hecke liegt. Dort verbringen Rosa und Kim ihre Osterferien und sie lieben es beide, den Garten zu versorgen. Wird es bei der Freundschaft bleiben oder wird auch Rosa die Liebe kennenlernen?
    Rosa erzählt uns von dieser Zeit im Frühling und so können wir ihre Gefühle kennenlernen und erleben, wie sie sich zaghaft den anderen gegenüber öffnet. Wie sie die Ablehnung durch ihre Vater überwindet und die Liebe entdeckt. Ungewöhnliche Protagonistinnen und eine gendergerechte Sprache machen dieses Buch sehr aktuell.


    Dagmar Mägdefrau
  • Die Verknöpften

    Die Verknöpften

    Andrea Behnke

    monika fuchs

    Verlagsempfehlung ab 11 Jahre

    Die vier Kinder in dieser Geschichte hat die Autorin mittels ihrer Fantasie zum Leben erweckt. Ihre Lehrerin Fräulein Hirschberg hat ein reales Vorbild, Else Hirsch, an die in Bochum ein Stolperstein erinnert.
    Leon lebt bei seiner alten Oma und wird auf dem Schulweg von Hilterjungen angegriffen. Da Minna sich verabschiedet hat, wird nur Lieselotte hilflose Zeugin dieses Vorfalls.

    mehr oder weniger lesen

    Die drei Kinder gehen auf die jüdische Schule und die Lehrerin Fräulein Hirschberg ist zwar streng, setzt sich aber liebevoll für ihre Schützlinge ein. 

    Lieselottes Eltern haben einen Stoffladen und ihre Mutter darf nur noch für die jüdische Kundschaft nähen. Auch Lieselotte kann schon gut nähen, so hat sie für ihre Freundinnen Armbänder mit ihren schönsten Knöpfen genäht. Denn Minna und Lieselotte treffen sich immer noch heimlich mit Hildegard, obwohl für sie der Kontakt zu den jüdischen Mädchen verboten ist. Die Drei nennen sich nach den Armbändern die „Verknöpften“ und versprechen sich immerwährende Freundschaft.

    Mit Lieselotte und ihren Eltern erleben wir die Pogromnacht mit all ihren Auswirkungen. Sehr eindringlich wird Lieselottes Angst geschildert, als sie die Zerstörung des Geschäftes und der Wohnung, hinter einem Vorhang versteckt, miterleben muss. 
    Das erste und letzte Kapitel spielt im Jahr 1942 und berichtet vom Schicksal Fräulein Hirschbergs, das sie nach Riga verschlagen hat. Die restliche Geschichte ist 1938/39 in Bochum angesiedelt und erzählt sehr lebhaft von den Kindern, ihren Familien und der Schule mit ihren Lehrern. 

    In dieser neuen Auflage ist das Buch mit vielen kleinen Bildern und einigen Fotos illustriert, dazu gibt es Borten mit Nadel, Faden und Knöpfen.

    Das Buch bietet eine sehr gut geschilderte, neue Facette der Judenverfolgung, die schon für Zehnjährige verständlich die Ängste fühlbar macht. Mich hat das Buch sehr bewegt und wir haben schon einige Lesungen mit Andrea Behnke durchgeführt, bei denen die Kinder sich sehr engagiert eingebracht haben.  

    Dagmar Mägdefrau

  • Zeit heilt keine Wunden – Das Leben des Ernst Grube

    Zeit heilt keine Wunden – Das Leben des Ernst Grube

    Hannah Brinkmann

    avant-verlag

    keine Altersempfehlung

    Ernst Grube, über dessen Leben diese Graphic Novel erzählt, ist als alter Mann auf den Cover abgebildet. Neben den Judenstern ist sein Mitgliedsbuch der KPD und ein Abzeichen der FDJ abgebildet. Zunächst ist ein Zitat von Gerty Spies über „Des Unschuldigen Schuld“ abgedruckt, das mich wieder sehr nachdenklich macht. 
    mehr oder weniger lesen
    Der erste Teil des Buches ist mit „Die Kindheit überleben“ überschrieben. Herr Grube erzählt Schüler*innen eines Gymnasiums von sich. Einige große Illustrationen bilden verschlungen menschliche Augen ab, dazu ist eine Verordnung aus dem Jahr 1935 zu lesen, die beschreibt, wer zu dieser Zeit als Jude gilt. Clementine Grube, Ernsts Mutter, wirkt mit ihrer Brille sehr streng. Sie ist mit einem Arier verheiratet und hat mit ihm drei Kinder, die beiden großen Jungen und ein Mädchen, das im Laufe der Erzählung geboren wird. Hier taucht zum ersten Mal der Hahn auf, der im weitesten Sinne für die Nazis steht. Da die Wohnsituation für die Familie immer schwieriger und die Nahrungsbeschaffung immer schlimmer wird, entscheiden sich die Eltern, ihre Kinder in eine jüdisches Kinderheim zu geben. Hier werden die Kinder sehr gut versorgt und die Erzieherin ist sehr gewissenhaft. Die Illustrationen werden zu Ende immer krasser und aufrüttelnder. Am Ende sehen wir die sowjetische Fahne und den Satz „Wir sind frei.“ 
    Im zweiten Teil wird „Eine deutsche Karriere“ geschildert. Er handelt von dem Juristen Kurt Weber, den seine jüdische Verlobte verlässt, weil ihm seine Kariere wichtiger ist als alles sonst. So tritt er, trotz seiner Bedenken, in die NSDAP ein und fordert Urteile im Namen des NS-Staates. Doch er schafft es, nach Ende der NS-Zeit als „Entlasteter“ anerkannt zu werden.
    „Der lange Prozess“ berichtet vom inzwischen erwachsenen Ernst Grube, der sich in der FDJ verstanden und anerkannt fühlt. So wird er als verheirateter Mann und Vater Flugblätter in der inzwischen verbotenen KPD transportieren. Er wird angeklagt und trifft so auf den Richter Kurt Weber.
    Einiges in diesem Buch war für mich unbekannt und wenn ich inzwischen weiß, dass die selben Menschen in der NS-Zeit und danach Ämter bekleideten, wurde für mich dadurch diese Geschichte noch intensiver, auch aufgrund der vielen aufrüttelnden Bilder. Und die Frage "Wie hätte ich mich verhalten?" bleibt wieder lange Zeit im Kopf.

    Dagmar Mägdefrau

  • Ginette Kolinka – Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt

    Ginette Kolinka – Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt

    Victor Matet

    Cesc

    Splitter

    Ohne Altersangabe

    In dieser Graphic Novel lernen wir die französische Jüdin Ginette Kolinka kennen. Auf dem Cover ist sie auf den Schienen, die sie selbst mit verlegt hat, als alte Frau zu sehen ist, neben ihr als Schatten sehen wir sie als junge Frau, im Hintergrund das Tor nach Birkenau.
    mehr oder weniger lesen
    Ginette Kolinka ist mit einer französischen Schulklasse unterwegs in das Lager, in dem sie einige Jahre gefangen wurde. Sie will ihnen vom Holocaust erzählen, damit es weiterhin Menschen gibt, die sich erinnern und die verhindern werden, dass so ein Unrecht noch einmal geschieht. 
    Das Buch beginnt mit der Geburt ihres Sohnes, der sich später wundert, dass nicht alle Mütter eine Nummer auf dem Arm haben. Erst als ihm ein Buch über Auschwitz in die Hände fällt, werden ihm die Zusammenhänge klar. Dann lernen wir die alte Ginette Kolinka kennen, sie macht Sport und es gibt viele Anfragen an sie, dass sie in Schulen aus ihrer Zeit in den Lagern berichtet. So reist sie mit einer Klasse nach Birkenau. Hier wechseln die Gegenwart und ihre Erinnerungen miteinander ab. Sie erzählt und dann kommen die Bilder aus der Zeit. Zunächst schafft es die Familie, sich mit falschen Papieren in einen andere Stadt zu retten, doch dann wird Ginette mit ihrem Vater und ihrem Bruder in den Osten gebracht. Sie spricht davon, wie naiv sie war, dass sie glaubte, dass sie hier nur arbeiten sollten und hat erst später begriffen, dass es Glücksache war, dass sie diese Zeit überlebt hat. Wenn auch ihre Mutter sie wegen der kurzen Haare und ihrem Untergewicht für ihren jüngern Bruder gehalten hat.
    Ginette Kolinka ist trotz ihrer schrecklichen Erfahrungen eine fröhliche und freundliche alte Dame, die sich auch mal gerne einen Scherz erlaubt. Ihr Enkel spielt in einer Band namens Téléphone und am Ende des Buches können wir einen Liedtext nachlesen, den sie für Ginette gesungen haben. Im Anhang des Buches sind auch noch einige Dokumente zu sehen, so ein Foto von Ginette als Kind.
    Durch die Comic-Form ist die Geschichte sehr gut zu lesen, der Wechsel der Zeiten ist durch die Bilder sehr gut nachzuvollziehen.

    Dagmar Mägdefrau

  • Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung

    Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung

    Barbara Yelin

    Reprodukt

    Keine Altersempfehlung

    Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024

    Gustav-Heinemann-Friedenspreis 2024

    Die Autorin Barbara Yelin, die auch die Bilder dieser Graphic Novel gezeichnet hat, hat viele Jahre die Titelgeberin Emmie Arbel besucht oder sich mit ihr getroffen, um sich von der alten Dame aus ihrem Leben berichten zu lassen. 1937 in Holland geboren, wird das kleine Mädchen 1942 zusammen mit seiner Familie nach Ravensbrück und später nach Bergen-Belsen deportiert. 
    mehr oder weniger lesen
    Sie und ihre Brüder überleben und werden nach dem Krieg von einem holländischen Ehepaar aufgenommen. Mit ihnen wandern die drei Geschwister 1949 nach Israel aus, hier wird Emmie ihr Leben verbringen, heiraten, Kinder bekommen, ihren Militärdienst ableisten, arbeiten und sich später ehrenamtlich engagieren. Lange Jahre kann sie mit niemanden über ihr Schicksal sprechen, erst einer Therapeutin kann sie sich öffnen. So schafft sie es, wieder nach Deutschland zu reisen und dort als Zeitzeugin in Schulen jungen Menschen von sich zu berichten und damit dazu beizutragen, dass der Holocaust nicht vergessen oder geleugnet wird.
    In dem Buch gibt es viele Zeitsprünge, trotzdem kann man der Erzählung gut folgen. Emmie spricht immer wieder davon, dass sie sich nicht erinnert, doch dann kann sie doch von einige Szenen ihrer schlimmen Vergangenheit berichten. Barbara Yelin hat diese Sprünge vom Jetzt in die Vergangenheit meist farblich verdeutlicht und so wurde der Horror für mich fühlbar. Emmie, die häufig rauchend abgebildet wird, berichtet stockend von ihrer Zeit im Lager und der schrecklichen Zeit in Holland, erzählt aber auch, wie jede Mutter und Großmutter, von ihren Kindern und Enkelkindern, die sie oft besuchen und deshalb auch auf den kleinen Bildern zu sehen sind.
    Die Graphic Novel, in der ich Emmie Arbel kennenlernen durfte, zeigt mit kurzen Dialogen und beeindruckenden Bildern sehr viel, aber die Stimmung wird hauptsächlich durch die Art der Zeichnung und die Farben bestimmt, nicht durch beängstigende Abbildungen.
    Ich hoffe, dass dieses Buch gerade von jungen Leuten, die nicht gerne lesen, zur Hand genommen wird.

    Dagmar Mägdefrau
  • Einfach Mensch

    Einfach Mensch

    Mehrnousch Zaeri-Esfahani

    Mehrdad Taeri

    Edition Buntehunde

    Verlagsempfehlung ab 4 -104 Jahre

    Auf dem weißen Grund des Covers sehen wir ein Mädchen auf einer Schaukel. Das Kind schaut ernst, vielleicht sogar ängstlich. Zunächst stellt sich dieses Mädchen uns vor. „Ich bin Ausländerin“ lautet ihr erster Satz. Sie wurde im Iran geboren, aber wenn man sie am Telefon hört, denkt man, sie sei Deutsche. 
    mehr oder weniger lesen
    Jeder Satz wird durch ein einfaches Bild dargestellt und hier geht das Mädchen telefonierend über ein Seil und die Zuschauer jubeln ihr zu, zumal sie gerade ein besonders schwieriges Wort sagt. Sie berichtet über ihre Flucht und dass sie unerwünscht war, als sie angekommen ist. So wird sie erwachsen und sie wird von anderen ganz unterschiedlich wahrgenommen. Zusammen mit dem Reichsadler isst sie Spaghetti und darunter steht „Dabei war ich schon längst eine Deutsche.“ So wird sie mehrfache Mutter und wünscht sich, „Einfach Mensch“ zu sein, findet das aber nicht so einfach.
    Die Bilder sind schlicht gehalten, als einzige Farbe wurde ein dunkles Rot benutzt, trotzdem sagen sie sehr viel aus. Neben den knappen Sätzen zeigen sie uns die Situation einer Frau, die als Flüchtling nach Deutschland kam und hier ihr Leben aufgebaut hat. Da Buch bietet viel Stoff zur Diskussion und es hält uns einen Spiegel vor, wie wichtig es ist, alle einfach als Mensch zu sehen.

    Dagmar Mägdefrau

  • Homeboy

    Homeboy

    Theo Parish

    Loewe Graphix

    Verlagsempfehlung ab 14 Jahre

    Theo Parish hat die eigene Geschichte zu sich selbst in einen liebevoll gestalteten Graphic Novel verarbeitet. Alleine das hat meine ganze Bewunderung. Theo erzählt, wie sier dazu kam, sich im eigenen Körper zuhause zu fühlen - und dafür muss man manchmal was ändern, wie bei einem richtigen Haus (Homebody!). 
    mehr oder weniger lesen
    Generell ist Theo stark darin, nicht nur zu illustrieren, sondern auch Bilder für Botschaften zu verwenden. Für sier ist das Nicht-Binär-sein eine Reise, die auch Spaß macht, wenn man manchmal einfach noch nicht weiß, wohin es geht. Dass manche das nur als Trend auffassen, von Leuten, die sich wichtigmachen wollen, ist natürlich verletzend. Und Theo will den anderen gar nicht so einen Stress mit Pronomen und Namen machen, aber wenn sier sich nun mal wohler fühlt, nicht mit dem Geburtsnamen oder er/ sie angesprochen zu werden: Ist es dann wirklich zu viel verlangt? Theo hat ein verständnisvolles Umfeld und es war toll, die Reise mit diesen wunderschönen Illustrationen zu begleiten. Schade, dass diejenigen, die diese Perspektive nie eingenommen haben, vermutlich nie zu diesem Graphic Novel greifen werden, denn das Buch war wirklich erhellend und erwärmend. Besonders witzig fand ich das Eingehen auf ein Shakespear-Zitat: “Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.” und Theo stellt klar: So ein Name kann trotzdem superwichtig sein. 
    Ein schöner und persönlicher Graphic Novel, so bunt wie die Menschen, für alle, die ein wenig mehr verstehen oder sich verstanden fühlen wollen.

    Raphaela Brosseron
  • Auf immer und ewig

    Auf immer und ewig

    Margret Steenfatt

    Rororo/ FISCHER Kinder- und Jugendtaschenbuch

    Verlagsempfehlung ab 12 Jahre


    „Auf immer und ewig“ schwören sich Nike, Paul und Nathan mit dem Geheimzeichen ihrer Bande, den ›Kopfgeldjägern‹. Seit ihrer Kindheit sind die drei unzertrennlich und wären es vielleicht für immer geblieben, wenn sie nicht im Jahr 1938 Kinder wären – Nathan, ein Jude, und Paul, der Sohn eines überzeugten NSDAP-Anhängers.
    mehr oder weniger lesen
    Im Grindelviertel Hamburgs verändert sich vieles Stück für Stück. Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger verschwinden allmählich aus dem Stadtbild und werden schließlich brutal ausgegrenzt. Nike kann das nicht nachvollziehen und zeigt ihren Unmut, insbesondere gegenüber ihren Eltern. Warum sprechen sie nicht mit ihr über all das? Paul sympathisiert mit der Hitlerjugend und wird Mitglied. Zwar hängt er manchmal noch an der alten Freundschaft, jedoch nur zu seinen eigenen Bedingungen. Nathan übt sich in Zurückhaltung und konzentriert sich auf sein Geigenspiel – und auf Nike, denn mit ihr könnte es tatsächlich für immer sein...
    Das Trio zeigt eine interessante Dynamik. Leider wirkt Paul, der wohl einen Mitläufer repräsentieren soll, von Anfang an durch seine grotesken Streiche distanziert von den anderen beiden, was den Verlust der Freundschaft für die Leser*innen schwer greifbar macht. Auch die Beziehung zwischen Nathan und Nike entwickelt sich plötzlich und erscheint sofort als grenzenlose Liebe. Das passt zwar einerseits zu einer jugendlichen, fast kindlichen Liebe, andererseits resultiert dies aus der eher oberflächlichen Charaktergestaltung. Die Rollen des Trios sind wenig nuanciert: Paul erscheint zunehmend als grundlegend böse, Nike als durchweg gut und unschuldig, und Nathan als das Opfer der Gesellschaft. Zwar werden die Dynamiken der Ideologie und ihre Auswirkungen immer wieder erwähnt, aber nicht richtig in die Geschichte integriert. Besonders Nike zeigt für ein junges Mädchen einen ausgeprägten moralischen Kompass, was an sich nicht unglaubwürdig ist, aber in der Interaktion mit ihren Eltern oft unlogisch wirkt.
    Gelungen ist hingegen die spezifische Lokalisierung im Hamburger Grindelviertel. Die Leser*innen spüren wirklich, wie diese kleine Welt – ein Raum der Routine und Geborgenheit für die Kinder und auch die Erwachsenen – nach und nach zerbricht. Diese präzise Darstellung des Schicksals einer kleinen Stadt als Spiegelbild des großen Kriegs wurde gekonnt in den Fokus gerückt.
    Von Anfang bis Ende wird die kindliche bzw. jugendliche Perspektive auf die NS-Zeit konsequent beibehalten, was den Roman trotz allem sehr lehrreich macht.

    Raphaela Brosseron

  • Und dazwischen (irgendwo) wir

    Und dazwischen (irgendwo) wir

    Amani Padda

    Arctis_Verlag

    Leseempfehlung ab 14 Jahre

    Vincent und Macey waren einst unzertrennlich, bis Vincent – eigentlich Kieran – aus dem heruntergekommenen Vorort in Schottland verschwand. Er gab Macey die Schuld an seinem Weggang und wollte fortan nur noch als Vincent bekannt sein. Doch als seine Mutter eines Tages verschwindet, erhält er eine mysteriöse Geschichte, in der nicht nur sein alter Name vorkommt, sondern auch Details, die nur Macey wissen kann. 
    mehr oder weniger lesen
    Konfrontiert, hat sie jedoch ganz andere Sorgen. Trotzdem hilft sie ihm, und es schließen sich ihnen weitere Freunde an. Alte Bindungen werden neu geknüpft, und auch neue Freundschaften entstehen.
    Vincent und seine Mutter kamen einst aus Indien nach Schottland, Punjabi kann er lange nicht mehr und die Kultur der Sikhs bedeutet ihm auch nichts. Das hat er der systematischen Entfremdung durch seine Mutter zu verdanken, die dabei keine Rücksicht auf Verluste nahm, denn Vincent soll sich anpassen und aufsteigen.
    Auch Macey kämpft mit ihrer Herkunft: Als Tochter nigerianischer Eltern fühlt sie sich verpflichtet, die erste in ihrer Familie zu sein, die akademisch erfolgreich ist. Beide sind extrem leistungsorientiert, aber der ständige Druck laugt sie aus. Gemeinsam müssen sie sich fragen: Ist das Streben nach Erfolg wirklich all das wert?
    Dieser Roman greift ein bedeutendes Thema auf, das viele Jugendliche mit Migrationshintergrund betrifft: der ständige Druck, sich beweisen zu müssen. Auch das Thema Freundschaft spielt eine zentrale Rolle.
    Die Kritik, dass es zu viele Charaktere gäbe, kann ich nicht nachvollziehen. Es sind nicht so viele, und jede*r von ihnen gewinnt an Tiefe. Die Konstellation der Freundesgruppe macht Sinn: Sie stehen alle unter Druck, der sich durch ihr Anderssein verstärkt.
    Dieser Roman ist ein starkes Plädoyer für Freundschaft, soziale Gerechtigkeit und gegen den Leistungsdruck, der im Selbstoptimierungstrend so oft verherrlicht wird – ein schöner Roman!

    Raphaela Brosseron

    Auf dem Cover sind vier junge Menschen in Schuluniform zu sehen, die die private Hillburn Secondary in Schottland besuchen. Sie machen sich zusammen mit Vincent auf die Suche nach dem Autor einer Geschichte.
    Da ist Macey, deren große Familie aus Nigeria stammt, und die extrem viel lernt, um in Cambridge studieren zu können, und Vincent, mit dem sie als Kind befreundet war, den sie aber seit fünf Jahren nicht mehr gesprochen hat. Vincent stammt aus Indien und seine Mutter, die sich in England ein besseres Leben erhofft hat, ist seit einiger Zeit verschwunden.
    Als er Mails bekommt mit Texten, bei denen es sich um ihn und Macey handeln könnte, nimmt er wieder Kontakt zu seiner ehemaligen Freundin auf. Zusammen mit zwei anderen Jugendlichen aus der Schule machen sie sich auf die schwierige Suche nach dem Autor dieser Geschichte. Dabei lernen sie sich immer näher kennen.
    Die Kapitel des Buches sind mit den Namen der Protagonisten überschrieben und beginnen immer mit einigen Sätzen aus dem Text des Autors. Leider ist die Sprache, obwohl ja zwei unterschiedliche Menschen berichten, immer gleich, was ich sehr schade finde. Aber dadurch erfährt man von den Gedanken, Ängsten und Träumen der beiden. Während Macey durch ihre Familie ihre Wurzeln kennt, fühlt sich Vincent nicht mit seiner alten Heimat verbunden und empfindet sich oft verloren. Macey versucht durch ihr ständiges Lernen, etwas im Leben zu erreichen, während Vincent keine Pläne für seine Zukunft machen kann. Die Freund*innen, die bei der Suche helfen, sind queer angelegt und mir kommt das ein wenig wie ein Trend vor.
    Das Buch mit seinen über 400 Seiten finde ich zu lang geraten. Es zieht sich ein wenig. Es gibt aber gute Eindrücke in das Leben von Eingewanderten und dem echten Leben in einer schottischen Privatschule.

    Dagmar Mägdefrau